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15. Feb. 2023 (Webinar): Neutralisierung und Sexualisierung in Sprache und Gesellschaft

Am 15. Februar 2023 sprach Herr Prof. Dr. J. Bayer im Rahmen der Webinar-Reihe der Liberalen Männer über das Thema "Neutralisierung und Sexualisierung in Sprache und Gesellschaft". Im Laufe der interaktiven Diskussion stellte der Referent fest, dass Sprache weder gerecht noch ungerecht sein kann. Nur die Akteure (z.B. Sprecher) können (un)gerecht sein. Aktive Versuche der Sprachveränderung machen die Sprache nicht gerechter, sondern nur dysfunktional.

Herr Prof. (em.) Dr. Josef Bayer ist Linguist und als solcher hat er sich intensiv mit Sprache und Sprachen beschäftigt. Im Rahmen des Webinars führte er eine interaktive Diskussion mit den etwa zwanzig Teilnehmern. Bei dieser Diskussion ging Dr. Bayer zunächst der Frage nach, ob Sprache gerecht sein kann wie zum Beispiel von Luise Pusch in einem Artikel bei Cicero (23.09.2020) mit dem Titel "Für eine gerechte Sprache" gefordert. Eine Sprache ist ähnlich wie eine Telefonzelle oder ein Dackel keine Person. Da aber nur Personen gerecht oder ungerecht sein können, kann eine Sprache (ähnlich wie die Telefonzelle oder der Dackel) nicht gerecht sein. Gerecht oder ungerecht können allenfalls die Akteure sein, die eine Sprache verwenden (z.B. Sprecher). Die Befürworter einer "geschlechtergerechten" Sprache nehmen zwangsläufig an, dass das Genus-System oder die gesamte Sprache von Menschen geplant wurde (z.B. von Patriarchen). Unsere Sprachen wären demnach "Plansprachen". Diese Behauptung widerspricht aber wissenschaftlichen Erkenntnissen über Struktur, Entstehung und Entwicklung von natürlichen Sprachen. Hätten wir "Plansprachen", dann hätten die hypothetischen (patriarchalen) Entwickler für Türkisch, Ungarisch, Japanisch, Bengali oder Thai das Genus-System vergessen. Diese Sprachen besitzen kein Genus-System - nicht aus Unvermögen der "Sprachplaner", sondern weil es bei natürlichen Sprachen keine "Sprachplaner" gab.

Laut dem Referenten ist eine Sprache zunächst ein Mittel der Kommunikation – weder gerecht noch ungerecht. Sie ist funktional. In der Regel wird zwischen Genus (grammatisches Geschlecht wie "der", "die" oder "das") und Sexus (semantisches bzw. natürliches Geschlecht wie "Mann" oder "Frau") unterschieden. Das Genus ist weitestgehend idiosynkratisch zugeordnet. Niemals hat ein Gremium entschieden, dass es "der Mond" und "die Sonne" heißt. Das Genus ist genauso wenig wie andere grammatische Eigenschaften der Sprache (vgl. die Verbstellung in Haupt- und Nebensatz, die Organisation des Verbalkomplexes, die feste versus "freie" Wortstellung etc.) das Produkt eines guten oder schlechten Akteurs. Das Prädikat "(un)gerecht" ist hier unangemessen.

Dennoch gibt es Aktivisten, die versuchen die Sprache zu ändern. Die Linguistik (Sprachwissenschaft) ist eine deskriptive (beschreibende) Wissenschaft, die also keine Normen setzt. Im Gegensatz dazu versuchen Aktivisten wie Frau Pusch präskriptiv (vorschreibend) zu sein. Sie sind der Auffassung, dass Sprache das Produkt eines Akteurs ist, bei dem das Prinzip "Mann als Norm" (MaN) gilt. Deshalb wollen sie selbst diese Normen neu setzen und Sprache aktiv verändern. Sie bezeichnen sich als "Gender"-Linguisten. Diese Sprachveränderung erfolgt zum einen durch eine Differenzierung nach Geschlecht auch dort wo diese Differenzierung nicht angebracht ist (z.B. "Bürger und Bürgerinnen", "Bürger*innen") oder durch eine Neutralisierung. Die Neutralisierung soll angebliche Hinweise auf das Geschlecht verhüllen. Typische Neutralisierungsversuche sind das Partizip Präsens (z.B. "Studierende") oder die Nennung von Institutionen statt Personen (z.B. "Schulleitung" statt "Rektor").

Im Laufe der Diskussion mit den Teilnehmern wurde klar, dass diese Versuche der Sprachveränderung die Sprache nicht gerechter machen (weil Sprache nicht gerecht sein kann). Stattdessen machen sie die Sprache in vielerlei Hinsicht dysfunktional, so dass sie nicht mehr als Mittel der Kommunikation dienen kann. Dies erschwert es nicht nur Menschen, die deutsche Sprache zu erlernen um sich in Deutschland besser verständigen zu können. Es erschwert auch die Kommunikation zwischen Muttersprachlern. Außerdem wurde angemerkt, dass selbst Menschen, die vorgeben diese präskriptiven Sprachregeln bewusst anzuwenden, dies nicht konsequent und korrekt tun (können). (Deutschland: AB)


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